Leibniz' Monade gewinnt als prinzipiell pespektivisches Subjekt 1) durch die Stadtmetapher eine Beweglichkeit, die ihr im virtuellen Raum erst ihre intendierte Kompetenz verleiht:

Et comme une même ville regardée de differens côtés paroît toute autre, et est comme multipliée perspectivement; il arrive de même, que par la multitude infinie des substances simples, il y a comme autant de differens univers, qui ne sont pourtant que les perspectives d'un seul selon les differens points de veüe de chaque Monade.2)

Peter Weibel entwickelt gerade diese Perspektivenerweiterung für den Bewohner der virtuellen Stadt, in der die perzeptuelle Situation des Betrachters anders ist als in den Orten des realen Raumes:
Die Stadt wird zu einem Datenanzug, der lokal steuerbar ist: an jedem Ort der Stadt ist ihr Bewohner mit der Gesamtheit der Stadt in Kontakt, sogar außerhalb der Stadt. In der idealen virtuellen Stadt (anders als in der perspektivisch beherrschten Cité Ideale der Renaissance) kann der Benützer frei umherwandern, seine Aufmerksamkeit darf oszillieren, sein Blick darf dezentriert abschweifen, und die visuelle Pyramide darf nach lokalen Bedürfnissen und Regeln veformt werden. Der Flaneur wird zum Datensurfer, zum Hitch-Hiker der Datenautobahnen. Der Bewohner interagiert in der virtuellen Stadt nach lokalen Regeln in einem nichtlinearen System.3)

In der Zeit vor Leibniz hatte die Skulptur den Vorrang vor der Malerei gewonnen, eben duch ihre Vielansichtigkeit, und den Betrachter auf das Finden der verschiedenen Ansichten verpflichtet. Der Bildhauer wußte wohl um die Schwierigkeit, dem Betrachter die Vielansichtigkeit durch ein Umschreiten der Skulptur, ja Beugen und Biegen des Betrachterkörpers zuzumuten, um duch Zuwachs der Perspektiven umso mehr und Vielfältiges dem Werk abzugewinnen. Dieser konnte nicht mehr sich in eine ideale Position stellen, er konnte nicht mehr gleichsam durch Abschalten der intellektuellen Aufmerksamkeit sich in den Gegenstand, das Tafelbild vesenken: Die Kontemplation wurde vom Objekt aufs Subjekt verlegt, es mußte sich seinem Körper widmen, um dem Objekt Ansichten abzugewinnen, und das hieß: Seine Aktivität bestimmte den Kunstprozeß entscheidend mit.

Dem Kunstbetrachter kommt es zu, sich den Gegenständen aktiv zu nähern, so daß seinem Betrachtungswillen vom Künstler Lob gezollt werden kann, wie Benvenuto Cellini über Cosimo I. bei der Besichtigung seines Entwurfs für den Neptunbrunnen: (...) e subito che sua Eccellenzia entrò nella stanza, gittato gli occhi alla mia opera, ei mostrò daverne molta sattisfazione; di poi gli girò tutto all'intorno, fermandosi alle quattro vedute, che non altrimenti si arebbe fatto uno che fussi stato peritissimo dell'arte.4)

Wollen wir einen Gegenstand "ganz" sehen, so müssen wir uns in die verschiedensten Sehpunkte begeben, eine Erzählung einer Begebenheit gewinnen wir durch Wendungen der Sichtachse. Diese Erzählkonstruktion beschließt den Betrachter in sich ein, der Bau der Welt von einem idealen erhöhten Platz aus gehört von nun an zu den Flucht- und Sehnsuchtsbewegungen.